Rede bei der traditionellen Hiroshima-Gedenkfeier am Stephansplatz in Wien
Bericht der APA über die Veranstaltung:
http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Nachrichten/NachrichtenTicker/3173835-53/hirshima-gedenkveranstaltung-am-stephansplatz.csp
HIROSHIMA – REDE 2011
Dr. Klaus Renoldner,
Präsident der österreichischen Sektion der IPPNW
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wir erleben gerade eine Dürrekatastrophe in Ostafrika, Millionen von Menschen sind vom Hungertod bedroht. Insgesamt ist die Zahl der Hungernden auf der Erde im Steigen begriffen. Es sind global fast eine Milliarde Menschen.
Und die Regierenden unserer Staaten im Westen wie im Osten geben Billionen von Dollars nur für Rüstung und für Kriege aus, die ihrerseits in den letzten Jahrzehnten zusätzliche Millionen Todesopfer und enorme Zerstörung gefordert haben. Denken Sie nur an die drei großen Kriege um Öl am Golf.
Und gerade die fortschreitende Rüstung, insbesondere die Nuklearwaffen und die Folgen der Verbrennung von Öl als nicht nachhaltigem Energieträger sind selbst die größten Bedrohungen für die Zukunft der Menschen. Warum ist es nicht möglich, aus diesem Teufelskreis herauszukommen?
Ich bin teils im Urlaub aber auch durch meine Arbeit als Arzt – oft mit dem Fahrrad – durch viele Staaten der Welt gereist und habe so viel an Gastfreundschaft erlebt, dass ich nicht glauben kann, dass die Menschheit diese zerstörerische Veranlagung, die uns bedroht, primär in sich trägt.
Es ist eine Gewalt der Hegemonie, des Raubtierkapitalismus, wie es Jean Ziegler nennt, und des zerstörerischen sich Fest-Klammerns an Waffen und – am gefährlichsten – an Nuklearwaffen.
Wo wir doch alle wissen: Je länger Atomwaffen noch nicht verboten sind, desto größer ist die Gefahr, dass sie auch in die Hände von Terroristen gelangen.
Und wir tun so, als wäre das normal und als könnte die Welt nicht anders.
Deshalb möchte ich Sie heute, am Gedenktag von Hiroshima aufrufen, Widerstand zu leisten gegen diesen tödlichen Wahnsinn. Jeder von uns kann etwas tun, sich informieren und kritisch beurteilen und sagen: nein, da mache ich nicht mit. Das unterstütze ich nicht. Hat uns nicht Mahatma Gandhi gelehrt, dass man mit Zivilcourage und gewaltlos die Gewalttätigen überwältigen kann?
Billionen von Dollars werden für Rüstung ausgegeben und zum Erhalt eines Systems, das Reiche reicher und Arme ärmer macht, vor allem aber fortlaufend jährlich Millionen ermordet und hunderte Millionen ins Elend treibt. Weil das Kapital falsch eingestzt wird: für Rüstung, statt für nachhaltige Entwicklung. Lesen Sie die Berichte des UNDP über die Menschliche Entwicklung und die des UN-Sonderkimmissärs für das Recht auf Nahrung.
Als Arzt möchte ich Sie erinnern an meine berühmten Kollegen Bernard Lown von Harvard und Jewgenij Tschasow von der Moskauer Akademie der Wissenschaften. Beide Kardiologen, gehörten sie 1980 noch einer zweigeteilten Welt an, aber sie sind gemeinsam aufgestanden und haben ein Atomwaffenverbot gefordert und eine weltweite Bewegung, die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs ins Leben gerufen.
Wir dürfen nicht vergessen, was Atomwaffen eigentlich sind: Instrumente zum Massenmord an unschuldigen Zivilpersonen. Stellen Sie sich vor, eine Megatonnenbombe würde hier am Stephansplatz explodieren. Eine Million Tote und Zerstörung um Umkreis von 15 Kilometern, atomare Verseuchung, Infektionen, Zusammenbruch des medizinischen Systems wären die Folge. Und egal in welchem Land die Bombe fiele, es wäre genau so verbrecherisch. Wollen wir uns wirklich diese Option, diese Waffe als Mittel zur Konfliktlösung aufrechterhalten? Oder wollen wir nicht schnellstens für ein Verbot unter internationaler Kontrolle eintreten? So wie es schon Albert Schweitzer vor über 50 Jahren forderte, viele Ärztinnen und Ärzte und in den letzten Jahren die große Bewegung der Mayors for Peace, denen auch der Wiener Bürgermeister gemeinsam mit fast 5000 Bürgermeistern von Städten in aller Welt angehören. Und viele andere Persönlichkeiten der Welt.
Wenn wir Meinungsumfragen durchführen, erfahren wir, dass eine ganz große Mehrheit der Weltbevölkerung ein Verbot von Atomwaffen möchte.
Aber ist immer noch nicht Realität. Wir haben die kritische Masse noch nicht erreicht, die diejenigen, die dem zerstörerischen Weltbild anhängen, aber Macht haben, diese Macht entreißt und Abrüstung einleitet. Und die Intelligenz, das Kapital und die Ressourcen dort in der Welt hinleitet, wo dringend nachhaltige friedliche Entwicklung und Bekämpfung des Elends nötig ist.
Ich möchte Sie mit meinen Worten nur einladen, sich kritisch zu informieren und zu entscheiden, wofür Sie sich einsetzen wollen, wem Sie durch Ihre Arbeit, Aktivität und Ihr Verhalten dienen. Jeder von uns hat einen kleinen Handlungsspielraum, in dem er sich entscheiden kann. Aber alle zusammen können wir die kritische Masse erreichen. Der größte Fehler ist nur, zu sagen: ich als einzelner kann da gar nichts tun. Denn gerade das Gar-Nichts-Tun von Millionen, der Verzicht auf Widerstand, er gibt den zerstörerischen Kräften freien Lauf. Das ist meine Einladung zum kritischen Widerstand.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.